Sommer-Drehwurz (Spiranthes aestivalis)

Die Sommer-Drehwurz, auch als Sommer-Wendelorchis, Sommerwendelähre oder Sommer-Schraubenstendel bekannt, ist eine von 60 in Deutschland heimischen Orchideenarten. Sie erhielt ihren Namen aufgrund ihrer korkenzieherartig gedrehten Wuchsform. Im Jahr 2016 war sie die „Orchidee des Jahres“, gewählt durch die AHO (Arbeitskreise Heimische Orchideen). Es sollte damit auf ihre sehr starke Gefährdung hingewiesen werden.

Verbreitungsgebiet
Das überwiegende Verbreitungsgebiet der eher unscheinbaren Sommer-Drehwurz ist vom südeuropäischen Mittelmeerraum bis nach Marokko, Tunesien und Algerien. In Mittel- und Westeuropa ist die Pflanze bis in die Niederlande und nach Süd-England verbreitet. In Deutschland gibt es Bestände im Bodensee- und Voralpengebiet bis in eine Höhe von maximal 1000 Meter, insbesondere im Hügelland von Salzach, Inn, Chiemsee, Ammer, Loisach und dem Westallgäu.

Beschreibung
Bei der Sommer-Drehwurz handelt es sich um eine sommergrüne Pflanze, bei der 3 bis 6 hellgrüne, aufwärtsragende Grundblätter (ca. 5 cm bis 14 cm lang) eine Rosette über dem Erdreich bilden. Aus dieser Blattrosette wächst der Stängel, der, je nach Alter der Pflanze, zwischen 10 cm und 35 cm hoch wird. Der Stängel ist von 2 bis 3 kleineren, eng anliegenden Laubblättern umgeben und geht in den Blütenstand über. Dieser 4 cm bis 11 cm lange Blütenstand ist korkenzieherartig um den Stängel gedreht und hat zwischen 6 und 25 röhren- bis glockenförmige, weiße Blüten. Die Blütezeit ist im Juli und August, wobei die Hauptblütezeit zwischen Ende Juli und Ende August liegt.

Die Sommer-Drehwurz zählt zu den Geophyten. Dies bedeutet, daß ihre oberirdischen Pflanzenteile im Herbst absterben und sie ihre Lebensenergie den Winter über in unterirdischen Speicherwurzeln aufbewahrt.

Fortpflanzung
Die Sommer-Drehwurz hat mehrere Möglichkeiten, sich zu vermehren. Einerseits bildet die Pflanze bei Bestäubung durch Bienen, Hummeln, Schwebfliegen und nachtaktive Motten staubähnliche Samen aus, sie kann sich aber auch vegetativ fortpflanzen.

Nach der Bestäubung bilden sich ab August bis Ende September die Samen, die durch Wind oder Wasser verbreitet werden. Als allogame Pflanze benötigt die Sommer-Drehwurz den Pollen einer anderen Artgenossin, Selbstbestäubung funktioniert nicht. Die Fortpflanzung über die Verbreitung der Samen klappt aufgrund der speziellen Anforderungen an ihren Lebensraum nicht sonderlich gut, da neue, passende Lebensräume oft für die Verbreitung durch Samen zu weit entfernt sind.

Erfolgversprechender ist die vegetative Vermehrung, sowohl durch Teilung der Speicherwurzeln als auch durch die Bildung von Brutknospen (Bulbillen). Eine Pflanze hat zwichen 2 und 6 rüben- oder spindelartige Speicherwurzeln, die zwischen 5 cm und 8 cm lang werden. Aus diesen wachsen bei Teilung büschelweise mehrere eng beieinanderliegende Blattrosetten. Bei der Fortpflanzung über Bulbillen bilden sich an den Grundblättern Brutknospen, aus denen neue Pflanzen wachsen.

Lebensraum
Am wohlsten fühlt sich die Sommer-Drehwurz auf ganzjährig feuchten bis nassen, kalkhaltigen und schlammig-humosen Böden. Sie wächst in nährstoffarmen Flach- und Niedermooren und in Uferbereichen. Da sie bereits mit mäßigen Stickstoffsalzkonzentrationen nicht umgehen kann, verliert sie ihren Lebensraum überall dort, wo Düngung zur „Bodenverbesserung“ beiträgt. Außerdem verhindern die von der Sommer-Drehwurz benötigten nährstoffarmen Böden, daß sich höher wachsende Pflanzen, gegen die sich unsere Sumpfschönheit nicht durchsetzen kann, in ihrer Umgebung ansiedeln. Für gute Entwicklungsmöglichkeiten benötigt die Sommer-Drehwurz Wärme und viel Sonne, insbesondere auf die bodennahe Blattrosette. Im Schatten größerer Pflanzen kann sie daher nur schlecht gedeihen.

Gefährdung und Schutz
Die Sommer-Drehwurz ist aufgrund der speziellen Anforderungen an ihren Lebensraum in Deutschland sehr selten und leider stark gefährdet. Sie ist strengstens geschützt. Da sie einen immerfeuchten Lebensraum benötigt, verträgt sie keinen Rückgang des Grundwassers in den trockenen Sommermonaten. Die Trockenlegung von Feuchtgebieten ist für die Sommer-Drehwurz das reinste Gift.

Der Schaffung eines Umfelds, in dem die Sommer-Drehwurz gute Überlebenschancen hat, dient die traditionelle Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Feuchtwiesen, die nicht gedüngt werden. Diese Streuwiesen (zur Gewinnung von Einstreu in den Viehställen) sind ideale Standorte, wenn sie im Spätsommer oder Herbst und zu unterschiedlichen Zeiten kleinflächig und unter Verzicht auf schwere Landmaschinen (starke Bodenverdichtung schadet) gemäht werden. Eine Beweidung dieser Flächen ist wegen möglicher Trittschäden nicht ideal. Werden Streuwiesen wegen Nutzungsaufgabe nicht mehr jährlich gemäht, verdrängen schneller und größer wachsende Pflanzen relativ bald die Sommer-Drehwurz.

In Bayern konnte der AHO Bayern auf von ihm gekauften bzw. gepachteten Flächen durch regelmäßiges Mähen eine deutliche Erholung der Bestände verzeichnen. So erhöhte sich die Anzahl der Sommer-Drehwurz in einem Hangquellmoor von 31 auf 1400 Pflanzen innerhalb von 3 Jahren. In Südbayern befindet sich durch solche Erhaltungsmaßnahmen inzwischen der weltweit größte Bestand. Trotz dieser einzelnen Erfolge bleibt die Bestandsgefährdung der Sommer-Drehwurz weiterhin hoch, sie gilt laut Roter Liste als „stark gefährdet“ bis „vom Aussterben bedroht“.