Clusius-Enzian (Gentiana clusii) und Kochscher Enzian (Gentiana acaulis)
In diesem Beitrag werden mit dem Clusius-Enzian und dem Kochschen Enzian zwei Pflanzen vorgestellt, die beide zu den stängellosen Enzianen gehören. Beide sehen sich auf den ersten Blick zum Verwechseln ähnlich, unterscheiden sich aber dennoch in Einzelheiten und insbesondere in der Wahl des Untergrunds, auf dem sie gedeihen.
Der Name Enzian leitet sich vom botanischen Namen Gentiana ab. Gentiana wiederum wird auf den illyrischen König Genthius (ca. 180 – 168 v. Chr.) zurückgeführt, der die Heilkraft des Enzians entdeckt haben soll.
Die latinisierte Form „Clusius“ trägt der Clusius-Enzian (Gentiana clusii) zu Ehren des Arztes und Naturforschers Charles de l’Écluse (1526-1609). Die Erstbeschreibung veröffentlichten 1853 Eugène Pierre Perrier de la Bâthie und André Songeon im Bulletin de la Société d’Histoire Naturelle de Savoie.
Die botanische Benennung „acaulis“ des Kochschen Enzians (Gentiana acaulis) bedeutet „stängellos“. Erstbeschreiber der Art war der schwedische Naturforscher Carl von Linné (1707-1778).
Biologen bezeichnen Clusius-Enzian und Kochschen Enzian als vikariierende Arten, da sie sich sehr ähnlich sehen, aber dennoch so gut wie nie gleichzeitig an einem Standort zu finden sind. Der Clusius-Enzian kommt nur auf kalkhaltigem Untergrund vor, während der Kochsche Enzian Kalk meidet, saure Silikatböden benötigt und gerne auf sumpfigem Terrain wächst. Für beide Enzian-Arten muss der jeweilige Boden ausreichend feucht sein.
Gemeinsamkeiten
Sowohl der Clusius-Enzian (Gentiana clusii) als auch der Kochsche Enzians (Gentiana acaulis) sind bis zu 10 cm hohe krautige Pflanzen mit einem sehr kurzen, nur 1 cm bis 2 cm langen Stängel, an dem eine einzelne glockenförmige Blüte endständig aufrecht wächst. Mit ihren Pfahlwurzeln sind sie fest im Boden verankert. Beide Enzian-Arten sind langlebige Hemikryptophyten, die strengen Frost vertragen und deren immergrüne, eine Rosette bildende Grundblätter und Überwinterungsknospen die kalte Jahreszeit oberhalb des Erdbodens überdauern. Stängelblätter sind, falls vorhanden, kleiner als die Grundblätter und bis zu dreifach paarweise angeordnet. Die Blütenkrone hat eine Höhe von ungefähr 5 cm und macht somit zwischen der Hälfte und einem Drittel der gesamten Wuchshöhe der stängellosen Enziane aus. Beide Arten blühen zwischen Mai und August. Da die Kronblattzipfel durch Berührung reizbar sind, schließt sich die Blüte und legt sich zuweilen mitsamt dem Stängel auf die Erde, wenn es ihr zu kalt oder zu nass wird. Für die Blaufärbung der Blüten sind Anthocyane verantwortlich. Die Bestäubung erfolgt überwiegend durch Hummeln und Schmetterlinge, wenn diese zum am Grund des Fruchtknotens befindlichen Nektar krabbeln. Enzian kann sich allerdings auch selbst bestäuben. Sobald zwischen August und Oktober die Früchte des Enzians, einfächrige und zweiklappige Samenkapseln, reif sind, verlängert sich der Stängel und hebt die Kapseln in den Wind, wobei die verbliebene Kronröhre als Windfang dient. Die so verteilten Samen keimen dann bei Dunkelheit und Kälte.
So erkennen Sie den Clusius-Enzian (Gentiana clusii)
Wenn sie sich das Aussehen einer Enzianpflanze vorstellen, haben die meisten Menschen ein Bild vom Clusius-Enzian im Kopf. Der Clusius-Enzian, auch als Stängelloser Kalk-Enzian, Echter Alpenenzian oder Kalk-Glocken-Enzian bekannt, stellt mit seiner tiefblauen Farbe und der im Verhältnis zur Pflanzengröße riesigen Blüte das Idealbild vom Enzian dar. Er wird deshalb gerne auf den Etiketten von Enzian-Schnapsflaschen oder anderen Enzian-Produkten abgebildet, auch wenn Schnaps oder Heilmittel nicht aus Clusius-Enzian, sondern aus der Wurzel des Gelben Enzians gewonnen werden.
In Deutschland kommt der Clusius-Enzian natürlicherweise nur in Bayern, insbesondere in den Alpen und im Alpenvorland, und vereinzelt im Schwarzwald vor. Er benötigt kalkhaltigen Untergrund, gerne mageren, nährstoffarmen Trockenrasen oder Kiesflächen. Er ist in Höhenlagen bis zu 2800 Meter anzutreffen, wächst aber auch in alpinen Tälern.
Die Blätter stehen in einer grundständigen Rosette um den Stängel, sind etwa 5 cm lang und lanzettlich geformt. Sie fühlen sich derb und leicht ledrig an.
Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal zum Kochschen Enzian ist der Blütenkelch. Die 5 Kelchblätter, die eine lange Kelchröhre bilden, enden in spitzen Kelchzipfeln, auch die Kelchbuchten sind V-förmig und spitz zulaufend. Die zu einer Glocke geformte Blütenkrone ist kräftig azurblau. Die 5 Blütenblätter, auch das ein weiterer Unterschied zum Kochschen Enzian, sind an der Innenseite hell bis weiß gestreift mit kräftigen blauen Farbtupfern.
Obwohl der Clusius-Enzian nicht besonders groß wird, gilt er aufgrund seiner intensiv blau leuchtenden und verhältnismäßig großen Blüte als eine der schönsten und typischsten Pflanzen im gesamten Alpenraum. In seinem Gedichtband „Heiteres Herbarium“ schreibt der Salzburger Dichter Karl H. Waggerl über den Clusius-Enzian:
„Bist du verzagt,
weil dich so vieles überragt?
Schau in dies holde Angesicht
und merk: Am Stängel liegt es nicht!“
So erkennen Sie den Kochschen Enzian (Gentiana acaulis)
Der Kochsche Enzian, auch als Kochs Enzian, Breitblättriger Enzian, Stängelloser Enzian, Stängelloser Silikat-Enzian, Silikat-Glocken-Enzian oder Kiesel-Glocken-Enzian bekannt, ist neben dem Clusius-Enzian eine weitere Enzian-Art mit sehr kurzem Stängel. Er ist in Deutschland nur in Bayern zu finden und kommt hier zwischen 930 und 2400 Höhenmetern vor.
Die Rosettenblätter des Kochschen Enzians sind weicher und breiter als die des Clusius-Enzians, ihre Form ist verkehrt-eiförmig oder elliptisch mit glattem Rand. Zugwurzeln halten die Blätter der Rosette stets nah am Boden, durch die Ausbildung von Rinnen dienen die Blätter auch zum Sammeln von Wasser. Die Kelchblätter verjüngen sich nach unten, so als wären sie abgeschnürt. Die Zipfel der Kelchblätter sind nach außen gebogen. Die Buchten zwischen den Kelchblättern sind stumpf und im unteren Bereich mit einem weißen Häutchen verbunden. Wie beim Clusius-Enzian wächst pro Stängel eine Blüte endständig aufrecht, sie leuchtet im Gegensatz zum Clusius-Enzian allerdings in nicht ganz so kräftigem Blau. Dies liegt an den olivgrünen Farbtupfen und Längsstreifen auf den Innenseiten der 5 Blütenblätter.
Streng geschützt und dennoch käuflich
In spezialisierten Gärtnereien sind sowohl Clusius-Enzian als auch Kochscher Enzian als gezüchtete Pflanzen für den eigenen Garten erhältlich. Die Entnahme aus der Natur ist verboten, da alle Enzian-Arten in Deutschland und Österreich streng geschützt sind. Insbesondere die Düngung von Wiesen mit Gülle oder Kunstdünger setzt dem Enzian zu und vernichtet dauerhaft ganze Populationen.