Europäisches Alpenveilchen (Cyclamen purpurascens Mill.)

Das Europäische Alpenveilchen ist die einzige von ca. 20 Alpenveilchen-Arten, die auch tatsächlich in den Alpen vorkommt. Alle anderen Arten stammen entweder aus dem Mittelmeerraum oder sind Züchtungen.

Das Europäische Alpenveilchen gehört zur Familie der Primelgewächse und ist somit botanisch betrachtet kein Veilchen. Die Bezeichnung Veilchen entstand vermutlich wegen der aufwärtsgerichteten Blütenblätter, wodurch eine entfernte Ähnlichkeit mit Veilchen besteht. Auch der Duft ist ähnlich dem von Veilchen. Der wissenschaftliche Name Cyclamen purpurascens Mill. setzt sich zusammen aus kyklos, dem griechischen Wort für Scheibe, purpurascens für „sich purpurn färbend“ und Mill. nach Philip Miller, dem Erstbeschreiber der Pflanze 1768.

Weitere Trivialnamen für das Europäische Alpenveilchen sind, neben vielen nur lokal gebräuchlichen Bezeichnungen, Zyklame, Wildes Alpenveilchen, Erdscheibe, Erdbrot, Saubrot oder Schweinebrot. Erdscheibe bezieht sich auf die scheibenförmig abgeplättete Wurzelknolle, während Saubrot und Schweinebrot ein Hinweis darauf sind, daß Schweine im Gegensatz zu den meisten anderen Tieren die giftige Wurzelknolle vertragen und zur besseren Futterverwertung sogar damit gefüttert wurden.

Verbreitungsgebiet
Die Pflanze ist in den Süd- und Ostalpen bis zum Balkan verbreitet. In Deutschland gibt es natürliche Vorkommen nur in Bayern im Gebiet der Berchtesgadener Alpen und an Inn und Donau bei Passau. Ehemalige Bestände im Alpenvorland existieren nicht mehr. Das Auftreten des Europäischen Alpenveilchens im Altmühltal sowie in der Fränkischen Schweiz und bei Hersbruck ist mit großer Wahrscheinlichkeit nicht natürlichen Ursprungs, sondern auf verwilderte Anpflanzungen, sog. Gartenflüchtlinge, zurückzuführen. Es ist in Bayern auf der Roten Liste als gefährdet eingestuft und wird durch die Bundesartenschutzverordnung besonders geschützt.

Lebensraum
Bevorzugte Standorte sind schattige Plätze in Mischwäldern bis in Höhen von 2000 Meter. Beste Wuchsbedingungen findet das Europäische Alpenveilchen auf kalk- und humushaltigem, durchlässigem Untergrund. Der Boden sollte feucht sein und stetig mit Wasser versorgt werden, er darf aber nicht nass sein. Staunässe verträgt das Europäische Alpenveilchen nicht.

Hypokotyl-Knolle
Als immergrüne krautige Pflanze erreicht das Europäische Alpenveilchen eine Größe zwischen 5 cm und 15 cm. Aus einer knapp unter der Erdoberfläche liegenden scheibenartigen, abgeflachten Knolle, die sich aus einer Verdickung der Sprossachse (Hypokotyl) bildet, sprießen der Blütenstiel sowie die Grundblätter. Die Pflanzenwurzeln wachsen seitlich und unten an der Knolle. Als Geophyt speichert die Pflanze ihre Lebenskraft während des Winters in dieser unterirdischen Hypokotyl-Knolle.

Blätter und Stiele
Die lederartigen Blätter sind nieren- oder herzartig geformt und am Rand glatt oder leicht gezähnt. Während die dunkelgrüne Blattoberseite mit silbrig-hellen Tupfen und Streifen gezeichnet ist, welche durch Lufteinschlüsse enstehen, ist die Blattunterseite in Rottönen gehalten. Das Austreiben neuer und das Absterben alter Blätter geschehen fast gleichzeitig. Die Blütenstiele, die kaum Festigungsgewebe enthalten und nur bei ausreichender Wasserversorgung aufrecht stehen, sind rötlich und behaart, an ihrem Ende hängt nickend jeweils eine glockenförmige Blüte kopfüber.

Blüten und Früchte
Die fünfblättrige Blütenkrone ist purpurfarben, die 15 mm bis 25 mm langen Kronblattzipfel sind umgeschlagen. Die Blütenröhre ist 4 mm bis 8 mm lang und am Schlundeingang karminrot. Die Blüten enthalten stark duftende ätherische Öle, jedoch keinen Nektar. Blütezeit ist zwischen Juni und September, bestäubt wird das Europäische Alpenveilchen durch Hummeln oder Selbstbestäubung. Es reift dann eine kugelförmige Kapselfrucht heran. Der Blütenstängel rollt sich zu einer Spirale ein und senkt sich mit der Fruchtkapsel zum Boden. Dort klappt die Fruchtkapsel im Juli oder August des Folgejahres auf und die Samen keimen im Dunkeln, vom Laub des Vorjahres bedeckt. Ameisen verbreiten diese Samen, da sie deren Ölkörper (Elaiosom) schätzen. Durch die Bildung von kurzen Ausläufern ist auch vegetative Vermehrung möglich.

Vorsicht! Extrem giftige Pflanze!
Als Schutz gegen Fressfeinde nutzt das Europäische Alpenveilchen sehr bitter schmeckende Giftstoffe. Alle Pflanzenteile sind giftig, wobei die Knolle besonders viele giftige Triterpensaponine (u.a. Cyclamin) enthält. Bereits 0,3 g führen zu Vergiftungserscheiningen wie Übelkeit, Durchfall und Magenschmerzen. Schon 8 g können bei einem erwachsenen Menschen zum Tod durch Atemlähmung führen. Cyclamin besitzt den höchsten bekannten hämolytischen Wert, bereits 1 g auf 390 Liter Wasser führt zur Auflösung der roten Blutkörperchen. Die Giftwirkung machten sich Fischer zunutze, die mit sog. Tollködern auf Fischfang gingen, da bei Fischen bereits geringe Mengen des Gifts zur Bewusstlosigkeit führen. Auch für Pferde, Hunde, Katzen, Hasen, Vögel und Nagetiere ist Cyclamin gefährlich, während Wild- und Hausschweine es vertragen.

Heilpflanze
Trotz oder gerade wegen ihres Gifts wird die Wurzelknolle des Alpenveilchens seit der Antike als Heilpflanze gegen Schlangenbisse, Gicht, Augen- und Milzerkrankungen sowie Darmbeschwerden genutzt. Sie wurde in der Volksheilkunde eingesetzt und findet bis heute Verwendung als homöopathisches Arzneimittel, u.a. für Frauen bei Menstruationsbeschwerden. Auch gegen Schwindel, Kopfschmerzen und Augenflimmern wird das Gift homöopathisch verwendet. In therapeutischen Mengen eingenommen, soll das Europäische Alpenveilchen entzündungshemmend, harntreibend und schleimlösend wirken, das Immunsystem stärken und die Nährstoffaufnahme des Darms fördern. Aufgrund der starken Giftigkeit wird von einer eigenmächtigen Einnahme dringend abgeraten. Über die Wirksamkeit der homöopathischen Behandlung mit den Wirkstoffen des Europäischen Alpenveilchens kann keine Aussage getroffen werden, da wissenschaftliche Beweise bisher fehlen.

Symbolik
Das Alpenveilchen gilt als Symbol für Hingabe, Opferbereitschaft und Einfühlsamkeit, weshalb es oft in alten Klostergärten und Friedhöfen angepflanzt wurde. Im Aberglauben der alten Römer galt es als Schutz gegen Unglück und Gefahren. Außerdem wurde ihm eine aphrodisierende Wirkung nachgesagt. Im Mittelalter wurde es mit dem leibhaftigen Teufel in Verbindung gebracht, da der Verzehr für Menschen tödlich sein konnte, während Schweine es fressen konnten.