Frühlings-Enzian (Gentiana verna)

Der Frühlings-Enzian ist innerhalb Deutschlands in Bayern und Baden-Württemberg verbreitet, darüber hinaus gibt es vereinzelte Vorkommen in Hessen, Thüringen und Sachsen-Anhalt. Auch außerhalb Deutschlands ist er in den Alpen oder auf dem Balkan anzutreffen. Er gehört zu den niedrig wachsenden Enzian-Arten und ist regional auch unter den Namen Schusternagel (der kurze und kantige Stängel erinnert an einen Holznagel, mit dem in früheren Zeiten Schuster die Sohle am Schuh befestigten), Rauchfangkehrer, Himmelsbläueli, Herrgottsliechtli, Tintabluoma oder Himmelsstengel bekannt. Wie so häufig erfolgte auch beim Frühlings-Enzian die Erstbeschreibung durch den schwedischen Naturforscher Carl von Linné im Jahr 1753.

Lebensraum
Sonnenbeschienene Gebirgswiesen, Heideflächen oder magere Wiesen sind der bevorzugte Lebensraum des Frühlings-Enzians. Solange der Untergrund stickstoffarm ist, gedeiht er sowohl auf trockenem, kalkhaltigem Boden als auch auf Feuchtwiesen auf Silikatgestein. Im bayerischen Allgäu ist er am Linkerskopf bis in eine Höhe von 2350 m zu finden, in anderen Alpenregionen siedelt er in bis zu 2600 m Höhe. Neben dem Alpenraum gibt es auch in Mittelfranken, beispielsweise auf der Buchleite bei Markt Berolzheim im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen, größere Bestände.

Blätter und Blüten
Als mehrjähriges krautiges Gewächs wird der Frühlings-Enzian in der Regel nur wenige Zentimeter groß und erreicht nur unter günstigsten Bedingen eine Wuchshöhe von 15 cm. Der kurze und kantige Stängel wächst gerade nach oben und trägt an seinem Ende eine einzelne Blüte. Die etwa 3 cm langen Grundblätter bilden eine Rosette, am Stängel befinden sich zwischen einem und drei Paaren gegenständiger, elliptischer oder lanzettlicher Laubblätter. Aus einem an den Kanten schmal geflügelten Blütenkelch wächst eine Kronröhre aus fünf azurblauen, eiförmigen Blütenblättern. Die Zipfel dieser Blütenblätter sind nach außen gebogen und bilden einen 2 cm bis 3 cm breiten Teller. Zwischen den Kronzipfeln befinden sich kleine, zweiteilige, blau-weiß gefärbte Zähnchen.

Vermehrung
Schmetterlinge und Hummeln sind die Hauptbestäuber, da sie mit ihrem langen Rüssel gut an den Nektar herankommen, der sich am Grund der Kronröhre befindet. Sobald sich im Herbst die Samen entwickelt haben, werden diese überwiegend durch Wind und Ameisen verbreitet. Vegetative Vermehrung durch Teilung der Wurzelknolle ist möglich.

Familienähnlichkeit
Der Frühlings-Enzian blüht, wie schon der Name verrät, bereits im Frühjahr ab März bis in den Juni oder Juli hinein. Unter guten Bedingungen kommt es von September bis Oktober zu einer zweiten Blüte. Der Frühlings-Enzian kann leicht mit dem Bayerischen Enzian (Gentiana bavarica) verwechselt werden, allerdings bilden die Grundblätter des Bayerischen Enzians im Gegensatz zum Frühlings-Enzian keine Blattrosette und seine Blütezeit beginnt erst im Juni, wenn die Blütezeit des Frühlings-Enzians langsam zu Ende geht. Auch mit dem Kurzblättrigen Enzian (Gentiana brachyphylla) besteht Verwechslungsgefahr, allerdings kommt dieser in Bayern nicht vor.

Schutz
In Deutschland ist der Frühlings-Enzian in der Roten Liste als gefährdet eingestuft und steht wie alle Enzianarten unter Naturschutz. Während die Bestände in den Alpen als stabil gelten, ist er insbesondere in Ostbayern stark gefährdet. Das größte Problem für den Frühlings-Enzian stellt die Düngung von Wiesen und die damit einhergehende Eutrophierung der Böden dar. Diese Maßnahmen zur „Bodenverbesserung“ führen regelmäßig zum Rückgang der Enzianpopulationen und zum Aussterben ganzer Vorkommen. Auch die Aufgabe der extensiven Schafweidewirtschaft setzt dem konkurrenzschwachen Frühlings-Enzian zu, da sein Lebensraum dann durch höhere und schneller wachsende Pflanzen besiedelt wird, gegen die er sich nicht durchsetzen kann und verschwindet. Da seine bitter schmeckenden Blätter ihn davor schützen, von Schafen gefressen zu werden und Schaftrittschäden in seiner Nähe ihm Raum geben, sich auszubreiten, sind von Schafen beweidete Wiesen ein optimaler Lebensraum für den Frühlings-Enzian.

Aberglaube
Der Frühlings-Enzian gilt abergläubischen Menschen als unheilbringende Pflanze. Er wird daher auch als Brendelblume, Hausabbrenner, Wetter- oder Blitznagele bezeichnet, da die Menschen fürchteten, der Blitz würde ins Haus einschlagen und dieses in Brand setzen, wenn man einen Frühlings-Enzian im Haus hat. Auch das Pflücken des Enzians ist unter Abergläubischen verpönt, da man dadurch den Tod eines Menschen verursachen würde. Rund um Beilngries besteht der Aberglaube, daß Kinder keine Sommersprossen bekommen, wenn man Blüten des Frühlings-Enzians ins Badewasser wirft. In Schwaben und Altbayern verursacht der Frühlings-Enzian im Aberglauben das genaue Gegenteil. Wer dort am Frühlings-Enzian riecht, der wird mit Sommersprossen („Rossmucken“) beschenkt.