Dachauer Moos

Entstehung
Gegen Ende der letzten Eiszeit vor etwa 10.000 Jahren zogen sich die Gletscher allmählich zurück. Riesige Schmelzwasserfluten strömten aus den Alpen ins Voralpenland und führten dabei sehr große Mengen an Gestein mit sich. Im Laufe der Zeit lagerte sich auf der Fläche zwischen den Alpen und dem Rand des tertiären Hügellands, also etwa bis zur heutigen Donau, immer mehr Geröll und Schotter aus den Alpen ab. Unter dieser Schotterschicht bildete sich der sogenannte Flinz, eine wasserstauende Schicht aus Bestandteilen der Süßwassermolasse. Auf diesem von Süd nach Nord abfallenden Flinz strömte ein 10 bis 15 Meter mächtiger Grundwasserstrom in Richtung des tertiären Hügellands und wurde dort gestaut. Das Wasser kam an die Oberfläche und es entstanden eine Vielzahl von Feuchtgebieten, Quellen, Sümpfen und Bächen. Auf diesem Untergrund wachsende Pflanzen konnten in der nassen Umgebung nicht vollständig verrotten und wurden zu Torf. So bildete sich nach und nach ein grundwassergespeistes Niedermoor. Am südlichen Rand des Moores entstand eine Torfschicht zwischen 50 Zentimeter und 2 Meter, am nördlichen Rand in Richtung des tertiären Hügellands war die Torfschicht 5 Meter mächtig, teilweise noch darüber hinaus. Pro Jahr wächst eine Torfschicht um etwa 1 Millimeter.

Von dieser einst riesigen Moorfläche ist heute kaum noch etwas übrig geblieben, es gibt sogar die Ansicht, dass das Moor nicht mehr existiert.

Lage
Das Dachauer Moos befindet sich nördlich von München im Münchner Grüngürtel in der Gegend von Dachau und Karlsfeld. Bedeutende Reste des Niedermoors sind das Ried- und Hackermoos in der Nähe von Badersfeld sowie das Palswieser Moos, das Fußbergmoos, das Bergkirchener Moos, das Schwarzhölzl, das Eschenrieder Moos und das Aubinger Moos. Die wichtigsten Wasserläufe im Dachauer Moos sind die Maisach und die Amper.

Beschreibung
Ursprünglich dehnte sich das Moor von Maisach und Germering im Südwesten bis nach Freising im Nordosten auf einer Strecke von etwa 50 Kilometern aus. Die heute noch verbliebene Niedermoorfläche beträgt etwa 306 Hektar, die Landschaft besteht aus Streuwiesen, Kiefernwäldern, Bruchwäldern und Auen.

Die verbliebenen Moorinseln haben durchaus unterschiedlichen Charakter. Das Hacker- und das Riedmoos sind stark landwirtschaftlich geprägte Gebiete, in denen durch Renaturierungsmaßnahmen und mit Hilfe von Landwirten, die auf eine extensivere Landnutzung umstellen, versucht wird, natürliche Lebensräume wiederherzustellen. So wurde 2021 im Hackermoos ein 300 Meter langer Abschnitt des Kalterbachs, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts vertieft und begradigt wurde, wieder in einen naturnahen Zustand versetzt. Hierzu wurden Bachverzweigungen, Inseln mit und ohne Bewuchs, flache Uferbereiche mit Randvegetation sowie ein Bereich, der sich wieder zu einem Moor entwickeln soll, geschaffen. Im Riedmoos wird versucht, zusammen mit den Landwirten die Landschaft für Wildpflanzen und Tiere attraktiver zu gestalten. Dazu soll Ackerfläche in Wiesenland umgewandelt und die Nutzung von Dünger und Pestiziden reduziert werden. Staatliche Förderprogramme sowie der Erwerb von Flächen durch Kommunen oder Naturschutzverbände sollen diesen Prozeß unterstützen.

Das Palswieser Moos und das Fußbergmoos werden durch Feucht- und Moorwälder mit vereinzelten Birkenwäldchen sowie Streuwiesen geprägt. Schwarzhölzl und ein Teil des Eschenrieder Mooses bestehen aus ursprünglichen lichten Kiefern- und Moorbirkenwäldern, verbunden mit den für Niedermoore üblichen Streu- und Feuchtwiesen. Ein anderer Teil des Eschenrieder Mooses und das Aubinger Moos wurden renaturiert und beherbergen vom Menschen eingerichtete Biotope. Das Bergkirchener Moos ist dagegen eine landwirtschaftlich stark genutzte Fläche aus Acker und Grünland ohne typische Moorvegetation. Insbesondere entlang der Amper gehen die Auenwälder oftmals nahtlos ins Moor über, während entlang der Maisach das Ackerland meist bis an das Flußufer reicht. Das gesamte Dachauer Moos wird von Kanälen und Bächen durchzogen, Äcker und Wiesen von Moor- und Feldgehölzen begrenzt. Schnurgerade Alleen und Knüppeldämme durchschneiden das Moor.

Flora
Dort, wo bis heute Streuwiesen und Feuchtgebiete erhalten sind, lassen sich noch die für ein Niedermoor charakteristischen Pflanzen finden. Das Tiefblutrote Knabenkraut hat hier einen seiner wichtigsten Lebensräume in Bayern, auch Knollige Kratzdistel, Sumpfsiegwurz, Preußisches Laserkraut, Duftlauch, Schwarzes Kopfried, Hohes Veilchen, Mehlige Schlüsselblume (Mehlprimel), Gelbe Spargelerbse oder Echtes Skorpionsmoos wachsen hier.

In den Auenwäldern entlang der Amper sind Zungenhahnenfuß, der Gefleckte Schierling, die Binsenschneide sowie die Stumpfblättrige Binse zuhause. Neben diesen niedermoortypischen Pflanzen gedeihen aber auch etliche eingeschleppte Arten, sogenannte Neophyten. Besonders kräftig wachsen Riesenbärenklau und Drüsiges Springkraut, die den heimischen Pflanzen Konkurrenz machen und sie verdrängen. Der typische Baum in den Auenwäldern ist die Weide, insbesondere die Reifweide und die Lavendelweide.

Die trockeneren Magerwiesen werden von Magerwiesenmargerite, Wiesenflockenblume, Klappertopf, Ochsenauge, der sehr raren Labkrautwiesenraute, dem Kiellauch und dem Frühlingsenzian besiedelt.
An nährstoffärmeren Bächen und Gräben sowie in der Nähe von Quellen gibt es Vorkommen von Kriechendem Sellerie und die in Bayern größte Population des Gefärbten Laichkrauts.
Mit der tiefvioletten Sibirischen Schwertlilie, der kleinwachsenden Kriechweide und der niedrigen Strauchbirke existieren in den hellen Moorwäldern Relikte aus der letzten Eiszeit. Diese urtümlichen Pflanzen sind auf einen gleichbleibenden Grundwasserspiegel und sonnige Standorte angewiesen.

Fauna
Milde Temperaturen und hohe Feuchtigkeit sind ideal für zahlreiche Insekten. Neben Mückenschwärmen kommen im Sommer auch zahlreiche Libellenarten im Moor vor, beispielsweise der Kleine Blaupfeil, die Kleine Zangenlibelle und die Heimazurjungfer, die im Dachauer Moos ihren bayernweit größten Bestand hat. An Schmetterlingen sind besonders der Dunkle Wiesenknopf-Ameisenbläuling, der Randring-Perlmuttfalter, der Baldrian-Scheckenfalter oder der Magerrasen-Perlmuttfalter zu nennen.

Die Insekten stellen die Nahrungsgrundlage für zahlreiche Vogelarten dar. Neben den in Moorgebieten oft anzutreffenden Kiebitzen und Grauspechten werden die offenen Wiesen auch gerne von Reihern aufgesucht.

Natürlich leben im Dachauer Moos auch Amphibien und Reptilien. So gibt es hier einen verhältnismäßig großen Bestand an Kreuzottern.

Nutzung
Ursprünglich zur landwirtschaftlichen Nutzung ungeeignet, wurde im 19. Jahrhundert begonnen, das Gebiet zu entwässern. Im 20. Jahrhundert wurde die Nutzung deutlich verstärkt. Neben der Urbarmachung trug der Torfabbau zum Verschwinden des Moors bei. Torf wurde zum Beheizen der Wohnungen, zum Betrieb der Brauereien in und um München, von Großgärtnereien und der Eisenbahn genutzt. Zusätzlich wurden im Dachauer Moos Kies und Schotter als Baumaterialien abgebaut. Dadurch entstanden zahlreiche Badeseen und Weiher sowie die Regattastrecke Oberschleißheim, auf der die Kanu- und Ruderwettbewerbe der Olympischen Spiele 1972 ausgetragen wurden. Dafür wurden fast 2,8 Millionen Kubikmeter Erdreich für den Bau der Strecke, dazugehöriger Gebäude und von Parkplätzen bewegt und im Dachauer Moos im Bereich des Schwarzhölzls zum fast 510 Meter hohen Schwarzhölzlberg aufgeschüttet. Der Bedarf an Baugrund, der Ausbau der damit zusammenhängenden Infrastruktur und die Erschließung des Gebiets durch Verkehrswege setzten dem Moor bis zum nahezu vollständigen Verschwinden weiter zu. Durch das Austrocknen des Moors liegen die verbliebenen Torfschichten zunehmend nicht mehr unter Wasser und zersetzen sich an der Luft. Durch diesen Prozeß werden klimaschädliches Kohlendioxid und andere Gase freigesetzt.

Die Mumie aus dem Dachauer Moos
Zwischen 1977 und 2007 zeigte die Dauerausstellung der Archäologischen Staatssammlung München eine angebliche Moorleiche aus dem Dachauer Moos. Erst wissenschaftliche Überprüfungen ergaben 2007 schließlich, dass es sich in Wahrheit um eine südamerikanische Frauenmumie aus dem 15. bis 17. Jahrhundert handelt. Die genaue Herkunft der Mumie ist bis heute ungeklärt. Sie wurde möglicherweise 1889 von Therese von Bayern, der naturwissenschaftlich interessierten Tochter des Prinzregenten Luitpold, aus Peru angekauft und der Anatomischen Anstalt München übergeben. Der weitere Verbleib ist nicht eindeutig geklärt, vermutlich wurde die Mumie dort als Moorleiche inventarisiert. Wann und weshalb die Bezeichnung „Mumie aus dem Dachauer Moos“ aufkam, lässt sich nicht mehr nachvollziehen.